Schlaf und Kaffee oder die Geschichte von den Koffeinpiraten
162 Liter Kaffee fließen in Deutschland durchschnittlich jedem Menschen im Jahr die Kehle runter. 162 Liter, in denen viele kleine Schlafräuber/Schlafpiraten segeln, die den Namen Koffein tragen.
Nehmen wir koffeinhaltige Getränke oder Speisen zu uns, dann segeln diese Schlafpiraten fröhlich durch unseren Körper, bis sie in den Buchten unseres Gehirns angekommen sind. Einmal im Gehirn angekommen besetzen die kleinen Piraten die Anlegeplätze, die als feste Stellen dem Bo(o)tenstoff Adenosin gehören und blockieren diese. Das gelingt, weil die Koffeinpiraten und Adenosin sich sehr ähnlichsehen. Sie unterscheiden sich jedoch erheblich in ihrer Wirkung. Adenosin hat Schlafdruck/Müdigkeit als Fracht an Bord. Wenn das Adenosin am Steg im Hirn anlegen kann, dann löst es Prozesse aus, die uns müde werden lassen und dem Körper das Signal geben langsamer zu machen. Das gelingt allerdings nur, wenn das Adenosin an seinen gewohnten Liegenplätzen anlanden kann und nicht vor Land ankern muss. Blockieren die kleinen Piraten die guten Anlegeplätze, dann wartet das Adenosin brav darauf, dass die Plätze wieder frei werden. Es wäre auch zu schade, wenn die wertvolle Fracht einfach so ins Hirnwasser geschmissen werden und untergehen würde. Solange die Piraten die Anlegestellen besetzen, verspüren wir wenig Schlafdruck und das Einschlafen fällt uns schwer. Das kennen wohl die meisten Menschen aus eigener Erfahrung.
Die Koffeinpiraten sind zudem von Natur aus sehr wilde Wesen. Sie erobern nicht nur die Anlegestellen, sondern können auch andere Köperstellen in Aufruhe bringen. So kann zum Beispiel das sympathische Nervensystem (unter dem Eindruck des Piratenmanövers) sich erregen, das Herz anfangen wie wild zu trommeln, aktivierende Hormone können ausgeschüttet und die Konzentration gesteigert werden. Das alles kann eine erwünschte Folge von 162 Liter Kaffee im Jahr sein. Spät am Tag eingenommen, können die kleinen Piraten einem erholsamen Schlaf jedoch erheblich im Weg stehen.
Es ist wichtig zu wissen, dass die kleinen Piraten lange im Körper verbleiben, bevor sie abgebaut werden. Hierzu schickt die Leber Bauarbeiter los. Wie lange der Abbau dauert, ist von Mensch zu Mensch und in Abhängigkeit von weiteren Faktoren sehr unterschiedlich. In der Wissenschaft wird von einer Halbwertzeit (die Zeit, in der die Hälfte der kleinen Piraten abgebaut werden) von zwei bis fünf Stunden ausgegangen. Das bedeutet, dass wenn man um 17.00 Uhr einen Kaffee trinkt (bei einer Halbwertszeit von 5 Stunden) um 22.00 Uhr noch die Hälfte aller Piraten fröhlich Seeräuberopa Fabian singen. Und wer kann denn dabei einschlafen?

Der Körper ist im Übrigen sehr klug. Belegen die kleinen Koffeinpiraten oft die großartigen Anlegestellen, dann baut unser Körper weitere Anlegestellen, um dem Adenosin freie Plätze zur Verfügung stellen zu können. Die Folge ist, dass wir uns an die Belagerung der Koffeinpiraten gewöhnen und mehr Koffein zu uns nehmen müssen, um denselben Effekt zu erreichen wie zuvor.
Kurze Geschichte noch kürzer: Koffein belegt im Gehirn dieselben Rezeptoren wie der Botenstoff Adenosin, ohne dass es die gleiche (das System runterfahrende) Wirkung entfaltet. Es kann zudem anregende Prozesse in Gang setzten und wird in der Regel sehr langsam abgebaut.
Toller Beitrag. Ob mein Barista des Vertrauens so ein Kaffee auch hinbekommt. Allerdings am Morgen 🙂