Schlaf und das späte Abendessen oder eine Nachtschicht für den Bauch

Schlaf und das späte Abendessen oder eine Nachtschicht für den Bauch

„Man kann nicht gut denken, gut lieben und gut schlafen, wenn man nicht gut gegessen hat“. (Zitat:  Virginia Woolf)

Liebe Virgina,

was hast Du Dir bloß bei diesem Satz gedacht? Auf alle Fälle hast Du nicht an die superleckere Pizza gedacht, die ich gestern am späten Abend, bei meiner Verabredung mit Max, genüsslich gegessen habe. Die Verabredung war witzig und unterhaltsam. Zumindest so lange, bis sich ein Fresskoma in Form von tiefer Müdigkeit bei mir ankündigte. Na gut, vielleicht hätte ich wenigstens das mitternächtliche Tiramisu weglassen sollen. Weder gutes Denken, noch gutes Lieben war zu diesem Zeitpunkt mehr möglich. Ich wollte, trotz des schönen Abends, nur noch eins und das möglichst schnell – schlafen. Du hast recht, mein voller Bauch schenkte mir die nötige Bettschwere. Kaum im Bett angekommen fielen mir die Augen zu. Noch bevor ich bis zehn zählen konnte, war ich eingeschlafen. Aber weißt du wer nicht geschlafen hat – mein Bauch. Er hat im Akkord gearbeitet und Überstunden geleistet, obwohl das Melatonin in meinem Körper schon längst (auch für den Verdauungstrakt) den Feierabend eingeläutet hatte. Was für ein fleißiger Arbeiter denkst Du jetzt vielleicht. Stimmt schon. Aber ganz kostenlos war die Nachtschicht nicht. Ich habe die Nachtschicht meines Bauches mit Unruhe, einem erhöhten Herzschlag, einer niedrigen Herzvariabilität, nächtlichem Durst, einer schlechteren Insulinproduktion, weniger Tiefschlaf und morgendlicher Müdigkeit bezahlt. Das ist eine kräftige Nachtschichtzulage. Guter Schlaf fühlt sich für mich anders an, liebe Virgina. Aber wahrscheinlich hast Du mit gutem Essen auch etwas anderes als Pizza und Tiramisu zur späten Stunde gemeint. Was verstehst Du denn unter gutem Essen für einen guten Schlaf? Ich erwarte sehnsüchtig Deine Antwort und sobald ich sie erhalten habe, werde ich sie mit meinen Lesern im Blog teilen.

Deine Marlene

Ps: Für den witzigen Abend mit Max habe ich einen schlechten Schlaf für eine Nacht gerne in Kauf genommen.  Das muss ja auch Mal sein.

Nicht Max

Lange Geschichte kurz: Die Nacht ist nicht zum Verdauen da. In der Nacht sollte auch unser Verdauungstrakt Ruhe bekommen. Gerade fettige und kohlenhydratreiche Speisen (kurz vor dem Schlafen gehen) lassen unseren Körper eine Nachtschicht einlegen. Die Folge ist ein weniger erholsamer Schlaf. Lesen Sie hier, warum ein Espresso nach dem Abendessen auch nicht die beste Idee ist.

Schlaf und Kaffee oder die Geschichte von den Koffeinpiraten

Schlaf und Kaffee oder die Geschichte von den Koffeinpiraten

162 Liter Kaffee fließen in Deutschland durchschnittlich jedem Menschen im Jahr die Kehle runter. 162 Liter, in denen viele kleine Schlafräuber/Schlafpiraten segeln, die den Namen Koffein tragen.

Nehmen wir koffeinhaltige Getränke oder Speisen zu uns, dann segeln diese Schlafpiraten fröhlich durch unseren Körper, bis sie in den Buchten unseres Gehirns angekommen sind. Einmal im Gehirn angekommen besetzen die kleinen Piraten die Anlegeplätze, die als feste Stellen dem Bo(o)tenstoff Adenosin gehören und blockieren diese. Das gelingt, weil die Koffeinpiraten und Adenosin sich sehr ähnlichsehen. Sie unterscheiden sich jedoch erheblich in ihrer Wirkung. Adenosin hat Schlafdruck/Müdigkeit als Fracht an Bord. Wenn das Adenosin am Steg im Hirn anlegen kann, dann löst es Prozesse aus, die uns müde werden lassen und dem Körper das Signal geben langsamer zu machen. Das gelingt allerdings nur, wenn das Adenosin an seinen gewohnten Liegenplätzen anlanden kann und nicht vor Land ankern muss. Blockieren die kleinen Piraten die guten Anlegeplätze, dann wartet das Adenosin brav darauf, dass die Plätze wieder frei werden. Es wäre auch zu schade, wenn die wertvolle Fracht einfach so ins Hirnwasser geschmissen werden und untergehen würde. Solange die Piraten die Anlegestellen besetzen, verspüren wir wenig Schlafdruck und das Einschlafen fällt uns schwer. Das kennen wohl die meisten Menschen aus eigener Erfahrung.  

Die Koffeinpiraten sind zudem von Natur aus sehr wilde Wesen. Sie erobern nicht nur die Anlegestellen, sondern können auch andere Köperstellen in Aufruhe bringen. So kann zum Beispiel das sympathische Nervensystem (unter dem Eindruck des Piratenmanövers) sich erregen, das Herz anfangen wie wild zu trommeln, aktivierende Hormone können ausgeschüttet und die Konzentration gesteigert werden. Das alles kann eine erwünschte Folge von 162 Liter Kaffee im Jahr sein. Spät am Tag eingenommen, können die kleinen Piraten einem erholsamen Schlaf jedoch erheblich im Weg stehen.

Es ist wichtig zu wissen, dass die kleinen Piraten lange im Körper verbleiben, bevor sie abgebaut werden. Hierzu schickt die Leber Bauarbeiter los. Wie lange der Abbau dauert, ist von Mensch zu Mensch und in Abhängigkeit von weiteren Faktoren sehr unterschiedlich. In der Wissenschaft wird von einer Halbwertzeit (die Zeit, in der die Hälfte der kleinen Piraten abgebaut werden) von zwei bis fünf Stunden ausgegangen. Das bedeutet, dass wenn man um 17.00 Uhr einen Kaffee trinkt (bei einer Halbwertszeit von 5 Stunden) um 22.00 Uhr noch die Hälfte aller Piraten fröhlich Seeräuberopa Fabian singen. Und wer kann denn dabei einschlafen?

Der Körper ist im Übrigen sehr klug. Belegen die kleinen Koffeinpiraten oft die großartigen Anlegestellen, dann baut unser Körper weitere Anlegestellen, um dem Adenosin freie Plätze zur Verfügung stellen zu können. Die Folge ist, dass wir uns an die Belagerung der Koffeinpiraten gewöhnen und mehr Koffein zu uns nehmen müssen, um denselben Effekt zu erreichen wie zuvor.

Kurze Geschichte noch kürzer:  Koffein belegt im Gehirn dieselben Rezeptoren wie der Botenstoff Adenosin, ohne dass es die gleiche (das System runterfahrende) Wirkung entfaltet. Es kann zudem anregende Prozesse in Gang setzten und wird in der Regel sehr langsam abgebaut.

Schlaf und Bewegung oder „calm down is an activity“

Schlaf und Bewegung oder „calm down is an activity“

Eine Klientin sagte einmal zu mir: “Ich finde ja, drehen und wälzen in Nacht zählen auch als Sport.“ Hhhhhmmm, nein. Aber anstrengend ist es alle mal. Wir sprachen über den Einfluss von Bewegung auf einen erholsamen Schlaf.

Es ist erwiesen, dass eine ausreichende Bewegung – zu einem günstigen Zeitpunkt – grundsätzlich für einen erholsamen Schlaf förderlich ist.  Das haben wir alle schon mal gehört oder gelesen und wahrscheinlich selbst sogar einmal wahrgenommen. Dennoch wird dieses Thema zu oft auf die lange Couch geschoben oder spät abends weg gesportelt. Wenn wir die nötige Bettruhe nicht finden, kann ein Grund dafür sein, dass unser Körper einfach noch nicht bereit dazu ist, runterzufahren. Unsere Hormone tanzen noch Samba, während wir versuchen zu entspannen. Auf einer solchen Party lässt es sich denkbar schlecht (ein)schlafen.

Sport und Adenosin

Der Botenstoff Adenosin ist verantwortlich dafür, dass wir uns müde fühlen, unser Körper die Party verlassen und dringend ins Bett gehen möchte. Man kann sich Adenosin wie Türsteher vorstellen, die die Ausschüttung von belebenden und aktivierenden Partygästen (Neurotransmittern) in unserem Gehirn blockieren und damit den sogenannte Schlafdruck erhöhen. So weit so gut. Wie engagieren wir jetzt aber Adenosin als Türsteher, um uns am Abend hinreichend müde zu fühlen?

Adenosin entsteht den ganzen Tag über als Abbauprodukt beim Verbrauch von Energie aus unseren kleinen Batterien (Adenosintriphosphat, kurz ATP) in unseren Körperzellen und wird während wir schlafen, wieder abgebaut. Wir engagieren unsere Türsteher durch den Verbrauch von Energie. Und dass wir bei Bewegung (insbesondere sportlicher Aktivität) wesentlich mehr Energie als im Ruhezustand verbrauchen haben wir alle schon erlebt.  Je höher dadurch die Adenosinkonzentration steigt desto mehr nimmt der Schlafdruck zu. Wenn wir jedoch zB den ganzen Tag an einem Schreibtisch sitzen (ja,ja, denken verbraucht auch Energie) kann es sein, dass wir zu wenig Türsteher haben und die Party in unserem Körper am Abend noch etwas länger dauert bevor wir müde genug sind, um einzuschlafen.

Kurze Geschichte noch kürzer:  Desto mehr wir uns bewegen, umso mehr verbrauchen wir an Energie. Umso mehr Energie wir verbrauchen desto müder fühlen wir uns. Ein schnelles einschlafen wird wahrscheinlicher.

Sport und Cortisol

Einer unserer belebenden Partygäste ist Cortisol (Manchmal auch Kortisol geschrieben). Cortisol ist als ein entzündungshemmendes und aktivierendes Hormon grundsätzlich ein sehr nützlicher Partygast. Wir fangen ab der zweiten Hälfte der Nacht an Cortisol auszuschütten und haben in der Regel am Morgen nach dem Aufstehen die höchste Konzentration in unserem Körper. Bei einem ungestörten Verlauf nimmt die Anzahl unserer Cortisolpartygäste im Laufe des Tages zum Abend hin ab und wir werden ruhiger. Allerdings lädt Stress Cortisol zusätzlich dazu ein auf der Tanzfläche zu erscheinen.  Aus diesem Grund wird Cortisol als Stresshormon bezeichnet. Auch diese Reaktion unseres Körpers ist grundsätzlich nützlich. Das Problem ist allerdings, dass Cortisol nur sehr langsam die Party wieder verlässt und lange Zeit Samba in unserem Körper tanzt. Haben wir am Abend noch zu viel Cortisol im Blut, befindet sich der Körper weiterhin in Aufruhe und kann schlechter runterfahren. Was hat das jetzt aber mit Sport zu tun?

Zum einen schüttet unser Körper als Reaktion auf sportliche Belastungen Cortisol aus. Jetzt könnte man meinen „Hey, Sport ist also doch Mord oder zumindest nicht förderlich für Entspannung“. Aber das Gegenargument lautet: durch Bewegung können wir Cortisol auch in unserem Köper abbauen.

Bei Übungen mit leichter Intensität (Faustformel: man hat noch genügend Luft zum Reden) bauen wir zeitgleich mehr Cortisol ab als wir ausschütten, so dass ein etwaiger Überschuss (durch zB zu viel psychischen Stress) verringert werden kann. Mit einem niedrigen Cortisolspiegel fällt es uns leichter zu entspannen. Es besteht ein positiver Einfluss auf den Schlaf.

Bei Übungen, die mit hoher Intensität durchgeführt werden, sieht die Bilanz meist umgekehrt aus. Wir schütten zunächst mehr Cortisol aus, als wir zeitgleich abbauen. Wollen wir dann zeitnah schlafen gehen, dann ist die Party noch im vollen Gang und es fällt uns schwerer runterzufahren. Zahlreiche Studien belegen jedoch, dass auch intensive Sporteinheiten langfristig einen positiven Einfluss auf den Cortisolspiegel haben. Intensive Sporteinheiten funktionieren dann wie kleine Stressimpfungen. Es ist also wie so oft im Leben eine Frage des Timings. Ausdauer führt hier langfristig zum Erfolg. Dranbleiben lohnt sich.

Kurze Geschichte noch kürzer:  Aktives Runterkommen kommt vor der Entspannung. Ausreichende moderate Bewegung sorgt dafür, dass unsere Stresshormone abgebaut werden. Umso weniger Stresshormone im Körper sind, desto besser kommen wir in den Schlaf.